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Im Folgenden für den interessierten Leser ein Auszug aus dem Nieders. Ärzteblatt. Es handelt sich exemplarisch um eine Anfrage von einem praktizierendem Arzt an den Arzneimittelservice der Kassenärztlichen Vereinigung (ATIS) zum Thema Impfen bei Allergie und die entsprechende fachlich fundierte Antwort s.u..


"Immer wieder ein Problem: COVID-19-Impfung bei Patient*innen mit Allergie und Berichten zu früheren möglicherweise allergischen Impfreaktionen

Frage an ATIS

Eine Kollegin, Fachärztin für Innere Medizin, fragt: „Ein 50jähriger Patient, H.H., leidet seit langem an einer Allergie gegen sehr viele Medikamente. Er berichtet glaubhaft, dass er in der Vergangenheit schwere Impfreaktionen hatte und er läßt sich seither nicht mehr impfen. Seit einem halben Jahr wird der Patient wegen seiner Allergie auch regelmäßig mit Omalizumb s.c. 1mal pro Monat behandelt. Zur Zeit wäre er eventuell bereit, sich impfen zu lassen. Er fragt mich aber, ob ich das verantworten kann und ich frage mich, was eventuell zum Schutz vor schweren Reaktionen gemacht werden könnte.“

Antwort von ATIS

Eine allergische Disposition ist zunächst einmal bekanntlich keine Kontraindikation für Impfungen, sondern nur Anlass, den Patienten nach Impfung vielleicht etwas länger zu überwachen. Eine Allergie gegen einen Impfstoff oder gegen einen relevanten Hilfstoff muss aber abgeklärt werden. Beim hier vorgestellten Patienten gibt es keine Informationen zur Allergie gegen einen Covid-19-Impfstoff, da er sich bisher nicht gegen Covid-19 hat impfen lassen. Man muss aber an die Hilfstoffe in den Impfstoffen denken [1]. Die meisten dieser Substanzen sind einfache Salze, gegen die eine Allergie kaum denkbar ist. Allergie-auslösend könnten Hühnereiweiß (in Grippeimpfstoffen enthalten) oder Gelatine sein; diese beiden Substanzen sind in den aktuellen COVID-19-Impfstoffen nicht enthalten. Aber Polyethylenglykol (PEG) ist enthalten und wird mit allergischen Reaktionen in Verbindung gebracht, auch wenn sich das in der weiteren allergologischen Diagnostik (auch nach Göttinger Erfahrung) nur sehr selten bestätigt.

Konkret muss im Falle von Herrn H.H. eruiert werden, bei welchem Impfstoff der Patient seinerzeit welche Art von Reaktion hatte. Hilfreich wäre der Impfpass, aus dem der Impfstoff genau identifiziert werden kann und mit etwas Recherche dann sicher auch die Hilfstoffe, die in dem Impfstoff enthalten waren.  Bezüglich der Symptomatik ist zu differenzieren, ob es nur eine normale etwas ausgeprägtere Impfreaktion war, oder alternativ eine vasovagale Reaktion, oder tatsächlich eine akute IgE-vermittelte anaphylaktische Reaktion.

Eine schwere anaphylaktische Reaktion ist charakterisiert durch Hautausschlag verbunden mit Luftnot und/oder Kreislaufproblemen innerhalb von einer Stunde nach Impfung. Der Schweregrad kann noch objektiviert mit folgenden Fragen: War damals Hospitalisierung oder Notfallbehandlung erforderlich? Wie lange hat das Problem angehalten? Sind damals Notfallmedikamente gegeben worden? Und wenn ja, welche?

Bekanntlich bestätigt sich in der weiteren allergologischen Diagnostik nur ein kleiner Anteil berichteter allergischer Reaktionen. Dennoch muss, wenn die Symptomatik nicht sehr klar gegen eine anaphylaktische Reaktion spricht, aus Haftungsgründen der Sache vor Impfung durch allergologische Anamnese und ggf. Diagnostik nachgegangen werden [2]. Oft wird dabei schon die detaillierte allergologische Anamnese klärend sein so dass gar nicht regelmäßig Laboruntersuchungen erforderlich sind. Aber eine bestätigte IgE-vermittelte Impfreaktion gegen einen Inhaltsstoff des Impfstoffes ist eine Kontraindikation.  Das Vorgehen ist in dem Flussdiagramm abgebildet, dass wir hier, etwas vereinfacht, aus einer Publikation des Paul-Ehrlich-Institutes zum Vorgehen bei mRNA Impfstoffen zeigen möchten [3].

Zum speziellen Problem bei diesem Patienten bleibt noch anzumerken, dass Herr H.H., wenn denn das Omalizumab indikationsgerecht verabreicht wird, wohl an einer chronischen spontanen Urticaria leidet (denn für die Indikation Asthma bronchiale hatten wir keine Hinweise). Die Symptome der chronischen spontanen Urticaria werden meist nicht durch Medikamente ausgelöst. Etwas stärkere Reaktionen zum Beispiel gegen die Nanopartikel in den aktuellen mRNA Impfstoffen oder gegen die unvermeidliche leichte Hautirritation bei der Impfung wären aber denkbar.

Zur Frage eines Schutzes: Prophylaktisch sollte hier jedenfalls keine Substanz (wie z.B. Prednisolon) gegegen werden, da der Wert eines derartigen Vorgehens nicht in Studien belegt ist. Aber natürlich sind fachärztliche Notfallbereitschaft und Notfallausrüstung vorzuhalten.

Fazit: Die typische ärztliche Erfahrung bei berichteter Allergie gegen frühere Impfungen ist, dass sich das meist bei sorgfältiger Aufarbeitung nicht bestätigt. Dennoch muss aus Haftungsgründen anamnestisch geklärt werden, ob es eine normale Impfreaktion, etwas anderes, oder tatsächlich eine akute allergische Reaktion war. Sofern das nicht schon allein aus der Anamnese sehr klar nachvollziehbar geklärt werden kann, muss vor Impfung eine allergologische Vorstellung erfolgen. Die schließlich in dem Flussdiagramm dargestellten individuellen Abwägungen sollten natürlich gemeinsam mit dem Patienten bzw. der Patientin getroffen werden."

 

Autoren:

Prof. Dr. Jürgen Brockmöller, Dr. Christof Dücker, Institut für Klinische Pharmakologie, Universitätsmedizin Göttingen

Prof. Dr. Timo Buhl, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsmedizin Göttingen

 

 

Literatur

[1]  Immune‐mediated adverse reactions to vaccines. CA Stone, CRF Rukasin,  TM Beachkofsky, EJ Phillips. Br J Clin Pharmacol. 2019;85:2694–2706.

 

[2]  Practical recommendations for the allergological risk assessment of the COVID-19 vaccination - a harmonized statement of allergy centers in Germany. M Worm, A Bauer, B Wedi, R Treudler, W Pfuetzner, K Brockow, T Buhl, T Zuberbier, J Fluhr, G Wurpts, L Klimek, T Jakob, HF Merk, N Mülleneisen, S Roeseler, H Dickel, U Raap, J Kleine-Tebbe. Allergol Select 2021 Jan 26;5:72-76.

 

[3]  Was ist bei positiver Allergieanamnese vor einer Impfung gegen COVID-19 zu beachten?  W Weißer, K Kling, C Huth, B Keller-Stanislawski, V Mahler. Arzneimittel im Blick, Schriftenreihe des Paul-Ehrlich-Instituts, Ausgabe 1, April 2021.

 

 
 
 
 
 
 
 
Praxis Dr. Stephan Zänker - Hausarzt in Göttingen